- Hans Werner Henze
L'heure bleue (2001)
(Die blaue Stunde / Twilight)- Chester Music Ltd (World)
Commissioned by Alte Oper Frankfurt and funded by AGIV AG
- fl+afl.cl+bcl.obda+ca.bn/hn.euph/perc/hp.pf/str(1.1.1.1)
- 10 min
Programme Note
Those who live on the shores of the Mediterranean call dusk ‘the blue hour’ because, in summer as in winter, in the evening after the sun has set and before the moon has risen, it suddenly and unexpectedly begins on the western horizon with a kind of opaline blue that slowly darkens in colour. But, as a source of wonderment, it is also present in all other parts of the world as well – always assuming that the sky is cloudless. This is the time when daylight fades and night, which has been waiting in the wings, enters gravely and very slowly, calmly transforming the whole of this world of ours. Our inner lives, too, are affected by this: hopes, fears, first love and loneliness are caressed by the gentlest and most beautiful evening light as though by comforting words or by snatches of music long forgotten.
I could perhaps have offered a more scientifically accurate description of the process by which the sky gradually pales and darkens and not regarded this process as of secondary importance, as the composition suggests at first sight (or, rather, at a first hearing). For that, we should have needed the courage to express things that are formless and speechless – instead of this and, as it were, by way of a substitute we have a large number of multiple shapes and symbols that appear to come into view as the light continues to change, their every move reflecting the shifting colours – clearly, not unclearly – so that only then can they be communicated and understood. Yet I conjure up no black winter sounds but only the contentedly contemplative atmosphere of a summer evening’s serenade. There should be calm. We want our peace.
© Hans Werner Henze
Die an den Rändern des Mittelmeers Lebenden nennen die blaue Stunde bei ihrem Namen „Die blaue Stunde“, weil sie tatsächlich am west-östlichen Horizont plötzlich, wie unerwartet, mit einer Art sich langsam verdunkelnden Opalinblau beginnt, abends nach Sonnenuntergang und vor Mondaufgang, sommers wie winters. Sie ist aber auch in allen anderen Teilen der Welt vorhanden und zu bewundern. Allerdings setzt sie Wolkenlosigkeit voraus! Es ist dies die Zeit, wo der Tag sich ausklinkt und wo die Nacht , die draussen schon gewartet hat, gravitätisch und sehr langsam herbei sich schickt und in aller Ruhe alle Welt verwandelt. Auch das menschliche Innenleben ist davon betroffen: Hoffnungen, Bangen, erste Liebe und Einsamkeit werden vom sanftesten & schönsten Abendlicht gestreift wie tröstende Wörter oder Fragmente aus vergessenen Musikstücken.
Ich hätte vielleicht gern den Vorgang des graduellen Verblassens und Dunkelwerdens wissenschaftlich genauer beschrieben und nicht so sehr für eine Nebensache genommen wie die Komposition auf den ersten Blick (bzw. beim ersten Hören) erscheinen lässt. Wir hätten dafür den Mut zum Ungeformten, Sprachlosen haben müssen - stattdessen gibt es, sozusagen ersatzweise, eine Anzahl multipler Gestalten und Symbole, die sich bei ständig wechselndem Licht vorzubewegen scheinen und mit deren Tun und Lassen die Verfärbungen sich vollziehen - deutlich, nicht undeutlich! - damit sie uns kommunikabel und nachvollziehbar werden möchten. Und ich beschwöre hier keine schwarzen Wintertöne, sondern eher eine sommernächtliche gemütliche Serenadenstimmung. Es soll Ruhe sein. Wir wollen unseren Frieden.
© Hans Werner Henze
I could perhaps have offered a more scientifically accurate description of the process by which the sky gradually pales and darkens and not regarded this process as of secondary importance, as the composition suggests at first sight (or, rather, at a first hearing). For that, we should have needed the courage to express things that are formless and speechless – instead of this and, as it were, by way of a substitute we have a large number of multiple shapes and symbols that appear to come into view as the light continues to change, their every move reflecting the shifting colours – clearly, not unclearly – so that only then can they be communicated and understood. Yet I conjure up no black winter sounds but only the contentedly contemplative atmosphere of a summer evening’s serenade. There should be calm. We want our peace.
© Hans Werner Henze
Die an den Rändern des Mittelmeers Lebenden nennen die blaue Stunde bei ihrem Namen „Die blaue Stunde“, weil sie tatsächlich am west-östlichen Horizont plötzlich, wie unerwartet, mit einer Art sich langsam verdunkelnden Opalinblau beginnt, abends nach Sonnenuntergang und vor Mondaufgang, sommers wie winters. Sie ist aber auch in allen anderen Teilen der Welt vorhanden und zu bewundern. Allerdings setzt sie Wolkenlosigkeit voraus! Es ist dies die Zeit, wo der Tag sich ausklinkt und wo die Nacht , die draussen schon gewartet hat, gravitätisch und sehr langsam herbei sich schickt und in aller Ruhe alle Welt verwandelt. Auch das menschliche Innenleben ist davon betroffen: Hoffnungen, Bangen, erste Liebe und Einsamkeit werden vom sanftesten & schönsten Abendlicht gestreift wie tröstende Wörter oder Fragmente aus vergessenen Musikstücken.
Ich hätte vielleicht gern den Vorgang des graduellen Verblassens und Dunkelwerdens wissenschaftlich genauer beschrieben und nicht so sehr für eine Nebensache genommen wie die Komposition auf den ersten Blick (bzw. beim ersten Hören) erscheinen lässt. Wir hätten dafür den Mut zum Ungeformten, Sprachlosen haben müssen - stattdessen gibt es, sozusagen ersatzweise, eine Anzahl multipler Gestalten und Symbole, die sich bei ständig wechselndem Licht vorzubewegen scheinen und mit deren Tun und Lassen die Verfärbungen sich vollziehen - deutlich, nicht undeutlich! - damit sie uns kommunikabel und nachvollziehbar werden möchten. Und ich beschwöre hier keine schwarzen Wintertöne, sondern eher eine sommernächtliche gemütliche Serenadenstimmung. Es soll Ruhe sein. Wir wollen unseren Frieden.
© Hans Werner Henze